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Eine Begegnung mit John Ogdon (1937-1989)

Es war, wie ich rekonstruieren konnte, der 14.Juli 1988. Ich war mit einer Kollegin nach London geflogen (Londons Notenantiquariate waren damals der Traum eines jeden Musikers!) und wir waren mit dem Taxi unterwegs in die City, als sie plötzlich „STOP!“ rief. Der Taxifahrer fuhr vor Schreck fast in den Gegenverkehr ..“warten Sie einen Moment!“..und sie zerrte mich zu einem Plakat: John Ogdon plays Sorabji Opus Clavicembalisticum. Ich erinnere mich noch, als sei es gestern, an meine erste Reaktion: „Ogdon? Der lebt noch?“ Denn der Sieger des Tschaikovsky-Wettbewerbs von 1962 (geteilter 1.Preis, gemeinsam mit Vladimir Ashkenazy) war mir zwar durch einige phänomenale EMI-LPs ein Begriff, war aber so vollkommen aus dem Klassikbetrieb verschwunden (während Vladimir Ashkenazy gleichzeitig einer, wenn nicht der präsenteste Pianist dieser Zeit überhaupt war), dass ich davon ausgehen musste, ihm sei etwas zugestossen – dem war auch in der Tat so, aber dazu später.  Wir fuhren also zur Queen Elizabeth Hall und ich suchte in meinem Kopf zusammen, was ich über Sorabjis Opus Clavicembalisticum wusste: Sehr, sehr lang, unspielbar, der Komponist hatte vier …

Shortcut: Mein iPad im Konzert-Rucksack, wie er sich nach vielen Jahren on the road herauskristallisiert hat:

iPad mit geladenem Akku, Pencil, allen benötigten Noten in der App und überprüfter Synchronisation (dazu genügt es in meinem Falle, NewZik im heimatlichen WLAN kurz zu öffnen) Reserve-iPad mit geladenem Akku und Pencil (auch dieses synchronisiert, natürlich) Starkes, schnelles Ladegerät Kleines, leichtes Reserve-Ladegerät Bluetooth-Kopfhörer (immer nützlich) Blätterpedal, geladen (Übrigens hält dieser Akku sehr lange durch, die angegebenen 30-40 Betriebsstunden erscheinen mir realistisch) 2 USB C-Kabel (eines kann immer kaputtgehen..) Handy mit synchronisiertem Newzik. Da meine iPads reine WLAN-Modelle sind, gehe ich auch mit dem Hotspot des Handys ins Netz, das verbraucht Strom, deswegen….. Ladekabel fürs Handy (..und ich freue mich schon darauf, diese Zeile irgendwann einmal löschen zu können, wenn alle Handy mit USB C laden…) Für Aufnahmen: Ein offener, kabelgebundener Kopfhörer (kein teures Luxusgerät, muss nur bequem sitzen und eine 6,3mm-Klinke haben) Handtuch (50×100) zum Zusammenrollen, falls ich das iPad doch in den Flügel legen möchte – neben klanglichen Vorteilen sieht man so übrigens den Dirigenten oder auch Kammermusikpartner sehr viel besser… Falls es ins Ausland geht: Passende Steckdosenadapter!

Paul Dan (1944-2023) – unsterblicher Lehrer und Freund

Es ist schon wieder fünf Jahre her und erscheint mir doch wie gestern, als ich die Laudatio für Paul anlässlich seiner Verabschiedung an der Mannheimer Musikhochschule halten durfte. Wir alle wussten um seine Krankheit, die ihm so früh die Tasten aus der Hand genommen hat – und doch hielt ich ihn immer für unsterblich! Nun ist er gegangen, und ich habe beschlossen, meinen Text aus dem Jahr 2018 umzuarbeiten, obwohl…ein Nachruf?  Auf Paul? Ich kann mir gut vorstellen, wie er an seinem Flügel auf Wolke sieben sitzt, Schubert spielt, den Kopf schüttelt und sagt: „Nun nehmt das mal alles nicht so furchtbar ernst!“ Nein, viel eher warte ich darauf, dass er um die Ecke kommt, kurz den Text überfliegt und sagt: „Das ist ja FURCHTBAR! Das hat doch wirklich noch viel Zeit!“ Denn das erste, was mir in den Sinn kommt, wenn ich an ihn denke, ist sein Lachen, sein ansteckendes Lachen, dass er so oft im Gesicht hatte – wohl wenige Musiker können von sich sagen, mit so viel Spass und Vergnügen an die …

Das iPad im Konzert

Dieser Artikel begann früher mit einigen Namen von Musikern, die das iPad bereits im Konzert nutzten. Mittlerweile ist diese Frage entschieden: Jene, die mit Musik auf Reisen sind, die früher größere Mengen an Noten mit sich herumtragen mussten sind mittlerweile umgestiegen auf das so praktische Gerät, das so viele Vorteile – nicht zuletzt den des geringen Gewichts – mit sich bringt. Ich selbst habe 2011 damit angefangen, inspiriert von dem damals noch jungen Programm ForScore auf dem iPad 2, nachdem ich schon Jahre vorher oft den Laptop auf dem Flügel stehen hatte – Umblättern mit Pfeiltasten, ein Horror! Die Vorteile sind offensichtlich: Man hat immer alle Noten dabei. Alle. Es spielt einfach keine Rolle mehr, wieviele Noten man mitnehmen möchte – das iPad wiegt immer gleichbleibend 300 (iPad mini) bis 723 (iPad Pro 12,9) Gramm. Ausserdem sind die Noten immer perfekt beleuchtet, man kann sie vor weißem oder sepiafarbenem Hintergrund (wie bei etwas gealtertem Papier) oder auch invertiert (weiß auf schwarz) anzeigen lassen. Das mag sehr banal klingen, kann aber auf schlecht ausgeleuchteten Bühnen (und ich sitze …

Kultur – ein Luxus? Nein, ein Menschenrecht!

Wir befinden uns nun im achten Monat der Pandemie, einer Pandemie, die uns sehr viel länger beschäftigt, als wir alle anfangs wahrhaben wollten und für viele Kulturtreibende, insbesondere natürlich die Selbstständigen, ist die Lage mittlerweile sehr ernst.Immer mehr von ihnen beginnen, sich beruflich neu zu orientieren, sich Alternativen zu suchen, neue Wege zu beschreiten, bevor die Demütigungsmaschinerie Hartz 4 sie verschlingt. Doch auch die Festangestellten spüren mittlerweile, wie ihnen die Lage immer mehr entgleitet. Wie sich in den letzten Wochen gezeigt hat, hilft es absolut nichts, wenn wir uns in aller Breite in unserer Social Media-Blase auskotzen – das nehmen nicht nur die Politiker sondern auch die meisten Menschen da draussen gar nicht wahr, wir kreisen nur verbal um uns selbst. Ich bin persönlich auch nicht im geringsten überrascht von der Unkenntnis der Verhältnisse, der Lebensrealitäten der Kulturschaffenden seitens der politischen Klasse – der Bundestag besteht zu fast der Hälfte aus nur drei Berufsgruppen: Anwälte, Politik- und Wirtschaftswissenschaftler, also Berufen, die von unserem Alltag auch finanziell gar nicht weiter entfernt sein könnten. Ebensowenig ist es …

Wenn ich zurückblicken werde..

Diesen Text schrieb ich einem guten Freund Mitte März 2020, ganz zu Beginn der Corona-Massnahmen, als wir alle noch kaum etwas über die Bedrohung wussten. Manchmal blicke ich ein bisschen voraus: Durch meine Korrespondenz mit Apple-Entwicklern in Asien gewarnt, wies ich diesen Freund daraufhin, wir müssten uns Gedanken darüber machen, wie wir als Musiker auf den heraufziehenden Sturm reagieren sollen – dies Anfang Januar 2020, und sein Blick verriet deutlich, dass er mich damals doch für ein wenig paranoid hielt. Wer konnte ihm dies zum damaligen Zeitpunkt auch verdenken! Hier nun also der Text, der mir gestern wieder in die Hände fiel….: Wenn ich zurückblicken werde im Frühling 2021… …dann werde ich auf eine Welt blicken, die sich verändert hat – oder eben auch nicht! Denn nichts ist stärker als die Gier des Menschen. Stärker als der Selbsterhaltungstrieb und, oh ja, stärker als jeglicher Ehrgeiz, Dinge zum besseren zu wenden. Denn ich blicke jetzt schon auf eine Welt, in der ein mehrfacher Milliardär die Politik erpresst, ihn mit Subventionen für seine Kaufhauskette (die er praktisch …

Warum „Nachts in der Philharmonie“?

Warum „Nachts in der Philharmonie“? Meine Reihe von täglichen Videos aus der Philharmonie in Ludwigshafen verdankt ihre Existenz im Grunde einer Reihe von Zufällen.Die ursprüngliche Idee war die, während der umbaubedingten Schliessung des Probensaals im Foyer Musik zu machen, um ein Zeichen zu geben, zu zeigen, dass das Orchester zwar ausgeflogen ist, das Gebäude aber trotzdem nicht verstummt.Aufnahmen sollten nur ab und zu als Nebenprodukt entstehen – dann kam Corona….. Die ersten zwei Wochen des Lockdowns waren eine bleierne Zeit, doch wurde mir bald klar, dass ich nicht einfach nichts tun kann. So fing ich mit den ersten Aufnahmen an, zunächst konnte ich mir aussuchen, ob ich lieber einen verstimmten oder einen Flügel mit neuen, viel zu harten Hammerköpfen nutzen wollte, nachdem diese Hindernisse aber aus dem Weg geräumt waren, spielte sich dann bald eine gewisse Routine ein – „Nachts in der Philharmonie“ (dass bald „Keys to the Music“ heissen wird) war geboren! Seitdem sitze ich alle 3-4 Tage spät Abends (es muss draussen dunkel sein, sonst stimmt das Licht nicht) im Foyer und nehme …

50mal „Nachts in der Philharmonie“ – Ein Gespräch

Dieses Gespräch mit James Clark (Malibu Times) war eine Überraschung und fand völlig unvorbereitet am 23.Mai 2020 statt JC: Kai Adomeit, 50 mal „Nachts in der Philharmonie“ – ist jetzt, da die ersten Corona-Lockerungen Hoffnung machen, das Ziel erreicht? KA: Einerseits ja, andrerseits definitiv nein! Ja, weil ich es geschafft habe, mich seelisch über die bleierne Zeit zu retten, indem ich mich in die Musik und ins Üben gestürzt habe, nein, weil ich Geschmack an dieser Form der musikalischen Selbstdisziplin gefunden habe. JC: Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen? KA: Nicht durch Corona! Eine ganz ähnliche Idee hat mich schon seit längerem beschäftigt, aber ich fand nie die Zeit oder die Kraft, wirklich zu beginnen….. JC: ….weil Sie beruflich so stark eingebunden sind? KA: Definitiv. Ich habe im letzten Jahr sehr viel im Orchester gespielt, auch Projekte, für die ich sehr viel arbeiten musste und kam einfach nicht dazu, etwas für mich selbst zu tun. Im April diesen Jahres hätte das alles in einigen so anstrengenden wie wundervollen Projekten – unter anderem einer …

„Auf jeden Fall müssen wir eine Gesellschaft bleiben“

Ein Gespräch mit Beat Fehlmann „Auf jeden Fall müssen wir eine Gesellschaft bleiben“ Ein Gespräch mit Beat Fehlmann, seit dem 1.9.2018 Intendant der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz  Dieses Interview wurde zwischen dem 11.Februar und dem 2.Mai 2019.in Ludwigshafen/Rhein geführt. Beat Fehlmann spricht ein ungemein reiches, sehr individuell gefärbtes, idiomatisches Deutsch. Die Bedächtigkeit, mit der er formuliert täuscht, denn der Reichtum seiner Sprache, sein Wortschatz lässt selbst Muttersprachler zum Duden greifen. Ich habe versucht, die Eigenart seiner Ausdrucksweise, die Komplexität seiner Gedankengänge soweit möglich unverändert zu dokumentieren.  Kai Adomeit: Worin unterscheiden sich eigentlich Deutscher und Schweizer Humor?  Und: Ist es wahr, dass die Schweizer so calvinistisch-diszipliniert sind, dass sie sich niemals langweilen? Beat Fehlmann: Mit dem Humor, da weiß ich nicht, was der Unterschied ist. Ich glaube, es gibt auf beiden Seiten definitiv Humorlosigkeit, die ist in beiden Ländern verbreitet und ich glaube, das ist in beiden Fällen schade.  Ich weiß es tatsächlich nicht. Mit der Disziplin: Ich glaube schon, dass das eine Rolle spielt, aber das ist so ein Lebensgefühl, so eine Art, die schon vieles durchdringt, …

Musiker in Zeiten von Corona

Ich bin Musiker. Ich bin Pianist und ich bin arbeitslos, weil das Coronavirus verhindert, dass ich Konzerte geben kann. Ich kann keine Konzerte geben, nicht hier in Deutschland und nirgendwo anders, weil die Grenzen geschlossen sind, weil die Behörden Veranstaltungen verboten haben, weil Konzertsäle, Opernhäuser, Theater, Musikschulen und -Hochschulen hermetisch geschlossen sind. An all dem aber ist nichts falsches, denn: Ich bin gesund.  Aber: Bin ich gesund?  Ich könnte Corona in mir tragen, ohne es zu wissen, da ja viele die Infektion ganz ohne Symptome durchmachen.  Ich könnte in die weiterhin geöffneten Cafés und Restaurants gehen, mich unter die Leute mischen, jetzt, da ich nicht weiss, wann ich meiner Arbeit wieder werde nachgehen können, da ich es mir mal erlauben könnte, etwas weniger diszipliniert zu leben.  Aber ich tue es nicht.  Weil ich immer versucht habe, ein verantwortungsvoller Mensch zu sein (einmal, ein einziges Mal, habe ich mich aus falsch verstandenem Pflichtbewusstein nicht daran gehalten. Meine Kollegen haben den Moment bis heute nicht vergessen, in dem ich zu Anfang einer CD-Aufnahme bewusstlos vom Klavierstuhl gefallen …